De St. Nikolaus

* ca. 270 bis † 6.Dezember 326 – 365, üse Samichlaus

Die Legende des St. Nikolaus

Vor Zeiten lebte fern im Morgenland in der reichen Stadt Patára ein Knabe, der hiess Nikolaus. Vater und Mutter waren an einer bösen Krankheit gestorben. Da weinte er Tag und Nacht. Seine Eltern hatten ihm grossen Reichtum hinterlassen: Gold, Silber, Edelsteine, Ländereien, Schlösser und Paläste. In seinem Stall standen schneeweisse Pferde, Schafe, Esel und viele andere Tiere. Doch Nikolaus war so traurig, dass er sich darüber nicht freuen konnte. Er fühlte sich arm und von aller Welt verlassen. Treue Diener sorgten für ihn. Als sie seinen Kummer sahen, beratschlagten sie hin und her, wie sie ihn trösten könnten.
Aber Nikolaus, vom Weinen müde, wollte sich nur noch schlafen legen. Da stiess er mit dem Fuss an einen Tonkrug, in dem viele Schriftrollen steckten. Eine davon ergriff er und begann zu lesen. Ihm war, als sässe seine Mutter wie früher an seinem Bett und erzähle ihm aus dem Evangelium.

Da stand geschrieben:
„Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und köstliche Leinwand und lebte herrlich in Freuden. Da war aber ein Armer mit Namen Lazarus. Der lag vor seiner Tür, war bedeckt mit Geschwüren und begehrte, sich von den Brosamen zu sättigen, die von den Tischen des Reichen fielen. Doch der Reiche gönnte sie ihm nicht. Es geschah, dass der Arme starb. Da wurde er von den Engeln in die himmlische Herrlichkeit getragen. Auch der Reiche starb. Doch es kamen keine Engel, ihn zu holen.“

„Gleiche ich nicht dem reichen Mann in der Geschichte?“ dachte Nikolaus. „Ich bin schön gekleidet und lebe im Überfluss. Die Bettler draussen beim Stadttor habe ich vergessen. Morgen will ich mich nach ihnen umsehen!“

Über diesen Gedanken schlief er ruhig und ohne Tränen ein. Als nach dem Ende der Nacht die Sterne erloschen, schlich er sich zum Palast hinaus. Die leeren Gassen kamen ihm fremd und unheimlich vor. Er fürchtete sich. Früher war immer seine Mutter mit ihm gegangen, Diener waren ihnen gefolgt mit Speise und Trank, mit Salben, Tüchlein und Decken für die Armen.

„Nikolaus“, so hatte die Mutter manchmal zu ihm gesagt, „wir sind zwar Reich. Aber was wir besitzen, wollen wir mit denen teilen, die ärmer sind.“

Endlich erreichte Nikolaus das Stadttor. Unmittelbar danach, unter den Säulenbogen einer kleinen Kirche, fand er die Ärmsten der Stadt, zerlumpt, krank und elend. Als sie im Schein der Laterne den reich gekleideten Knaben erblickten, streckten sie ihm ihre Hände entgegen. Nikolaus wollte in die Taschen greifen, doch an seinem mit Perlen bestickten Kleid gab es keine. Eilig löste er die schwere Goldkette vom Hals, zog den Ring vom Finger und gab beides hin. Er schlüpfte aus dem Obergewand und dem bunten Rock und verschenkte alles. Auch seine Sandalen mit den silbernen Schnallen streifte er von den Füssen. Da staunten die Bettler und lachten vor Freude. Nikolaus sprang auf und eilte glücklich nach Hause.

Nikolaus meinte, er hätte die Stadt alles noch nie so schön gesehen. Sein Herz wurde leicht, seine Augen hell. In aller Eile liess er seinen Schneider kommen und sprach: „Lieber Meister, wenn du mir noch heute auf meine Kleider grosse Taschen nähst, sollst du reich belohnt werden.“

Der Schneidermeister schüttelte den Kopf. Es war nicht Brauch, dass man vornehmen Kindern Taschen auf die schönen Gewänder setzte. Weil Nikolaus so sehr darum bat, setzte er sich doch auf den Tisch, kreuzte seine Beine und begann zu arbeiten. Er schnitt und nähte den lieben langen Tag. Vergnügt schlüpfte Nikolaus in seinen weiten, roten Mantel und spazierte im Abendsonnenschein durch den Garten. Er schüttelte Nüsse von den Bäumen, pflückte Granatäpfel und Mandarinen und füllte damit seine neuen Taschen.

Zum zweiten Mal an diesem Tag schlich er sich hinaus, schritt durch die Stadt, dorthin, wo in engen Gassen die Kinder der Armen herum hockten und spät noch spielten. Er griff in seine vollen Taschen, warf die Früchte und Nüsse hoch in die Luft und liess sie unter die hungrigen Kinder fallen. Die stürzten sich voller Freude auf all die herrlichen Dinge, und ehe sie sich umsahen, war Nikolaus verschwunden. Die grosse Traurigkeit war wie weggewischt. Und so füllte er seine Taschen, bepackte seinen Esel und zog zum Stadttor. Er führte die Blinden an die Sonne, speiste die Hungrigen und beschenkte die Kinder. Froh kehrte er dann nach Hause zurück. Sein Herz schlug warm vor Glück. Wo er Not und Elend sah, gab er mit vollen Händen. Doch er war darauf bedacht, das Gute im Verborgenen zu tun.

Darum verliess Nikolaus alles, was ihm lieb war. Als Pilger bestieg er ein Schiff, das eben seine Segel aufzog, um gegen Osten zu fahren. Nikolaus litt auf seiner Pilgerfahrt oft grosse Not. Bei allem Hunger blieb er fröhlich und getrost. Er zog durch das Land, verschenkte alles, was er hatte an die Armen und erzählte den Kindern Geschichten. Nach vielen Jahren erschien Nikolaus im Traum ein Engel und sprach: „Kehre zurück in deine Heimat! Dort sollst du den Namen Gottes gross und herrlich machen.“

In Myra, nicht weit von seiner Heimatstadt, war der alte Bischof gestorben. Die Christen trauerten um ihn, und niemand wusste wer ihm nachfolgen sollte. Gott aber sprach zum Ältesten der Gemeinde: „Vor Anbruch des Sonntags sollen sich alle Gläubigen in der Kirche versammeln und beten. Du aber hüte die Kirchentür. Den ersten Menschen, der daherkommt, sollt ihr zum Bischof weihen.“

Nun fügte es Gott, dass Nikolaus auf seinem Heimweg in aller Frühe vor die Pforte trat. Als man ihn fragte, wer er sei, antwortete er: „Ich bin Nikolaus, ein Diener Christi:“ Sie führten ihn in die Kirche und setzten ihn auf den Bischofsstuhl. Von allen umjubelt, trat er wieder ins Freie. Nikolaus sorgte für sein Volk wie ein Hirt für seine Schafe.

Nach vielen Jahren begab es sich, dass eine Hungersnot über das Land kam. Frost, Hitze und Hagel hatten Saat und Ernte vernichtet. Wenn Bischof Nikolaus durch die Strassen zog, sah er Not und Elend.

Eines Morgens stieg Nikolaus auf die Felsenklippen vor der Stadt. Im Dämmerlicht sah er, weit draussen auf dem spiegelnden Meer, einen Zug stolzer Segelschiffe. Gott sprach zu ihm: „Fahre hinaus, halte diese Schiffe in meinem Namen auf! Sie sind voll Korn und Weizen.“ Nikolaus tat wie ihm geheissen. Der Herr lenkte die Herzen der Schiffsleute. Sie brachten ihre ganze Ladung in Myra an Land. Nun begann Nikolaus auszuteilen. Das Volk strömte herbei. Sie kamen in endlosem Zuge, und er füllte ihre Körbe und Säcke. Bis zur neuen Ernte reichte der Vorrat.

Niemand musste vor Hunger sterben.

Wenn Nikolaus von nun an durch die Strassen zog, kamen die Kinder von überall her und umringten ihn. An seinem Geburtstag aber kleidete er sich in den kostbarsten Bischofsmantel und nahm den goldenen Hirtenstab zur Hand. Er schmückte seinen Esel und lud ihm einen schweren Sack auf den Rücken. Der war gefüllt mit roten Äpfeln, Nüssen und Mandeln, mit goldenen Mandarinen und süssen Honigkuchen. Nikolaus schritt durch die Strassen, warf seine Gaben unter die Menge und machte diesen Tag zu einem grossen Fest. Das hielt er so bis ins hohe Alter. Und als die Stunde kam, da Gott ihn heimholen wollte, war er bereit dazu.

Bischof Nikolaus starb am 6. Dezember 326-368 hochbetagt und in Würde. Als die Männer von Myra die unendliche Trauer der Kinder sahen, fassten sie den Entschluss, fortan am 6. Dezember, im Andenken an Nikolaus und seine Güte, durch die Strassen zu ziehen und die Kinder zu beschenken.

Bis in die heutige Zeit ziehen sich hunderte Männer an diesem Tage Mäntel mit grossen Taschen an und lassen das Erbe des St. Nikolaus von Myra wieder aufleben.